Naturidyll am Flugplatz Radolfzell-Stahringen

Der Flugplatz Radolfzell-Stahringen (EDSR) ist ein Paradebeispiel für den gegenseitigen Nutzen, den ein umweltbewusster Verein und ein Natur- und Landschaftsschutzgebiet voneinander haben können.

Der Wert, den das Gelände als Freizeitfläche für Luftsport und andere Freizeitaktivitäten hat, wird durch die Nähe zu der einzigartigen Naturlandschaft gesteigert. Eine Idylle für Menschen und Tiere – hoffentlich für viele Generationen.

Menschen, die zum ersten Mal den Flugplatz Radolfzell-Stahringen besuchen, erleben hier, wie gut Flugsport und Naturschutz Hand in Hand gehen. Die ansässige Flugsportvereinigung Radolfzell e.V. (FSVR) ist sich der Verantwortung bewusst, die die Lage des Fluggeländes mit sich bringt. Als erster Verein in Baden-Württemberg erhielt die FSVR das Zertifikat für vorbildlichen Umgang mit der Umwelt.

Die Tankanlage ist wassertechnisch völlig isoliert, nur die nötigsten Flächen vor den Hallen sind versiegelt, Lärmschutz ist selbstverständlich.

Flugplatz Radolfzell-Stahringen existiert seit 1968

Seit 1968 existiert der Flugplatz Radolfzell-Stahringen, etwa fünf Kilometer vom nordwestlichen Ufer des Bodensees entfernt, zunächst als Segelfluggelände, seit 2008 als Sonderlandeplatz. 1981 wurde direkt angrenzend das Naturschutzgebiet „Schanderied“ eingerichtet. Die Riedlandschaft bietet Lebensraum für zahlreiche, zum Teil vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Das westlich gelegene gleichnamige Landschaftsschutzgebiet dient im Wesentlichen als Pufferzone für das Naturschutzgebiet.

Die 710 Meter lange Graspiste 01/19 fügt sich nahtlos in die umgebende Landschaft ein, östlich der Piste befindet sich ein Kleingartengelände mit zahlreichen Bäumen und Sträuchern, auf beiden Seiten ist der Platz eingerahmt von Mischwald-Hängen.

Rückzugsraum für Tiere

Die großen Wiesenflächen mit dem anliegenden Feuchtgebiet sind ein idealer Rückzugsraum für Tiere aller Art: Fischreiher, Störche, Hasen, Greifvögel, Krähen, Mäuse, Füchse und Rehe halten sich manchmal sogar während des Flugbetriebs ungeniert auf dem Platz auf. Wildschweine werden durch Zäune am Umgraben der Grasflächen gehindert.

Dr. Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Möggingen ist Experte für Vogelwanderungen und kennt das Gelände rund um den Flugplatz gut: „Größere Zugvögel ziehen nicht gerne über größere Wasserflächen, deswegen konzentrieren sie sich im Herbst nahe des Fluggeländes und am anderen Ende des Sees am Pfänder, um dann Richtung Südwesten weiterzuziehen.“ Etwa 20 Prozent der großen Rotmilan-Population, die es hier gibt, bleiben inzwischen allerdings auch im Winter vor Ort, und auch Störche gibt es in Radolfzell den ganzen Winter.

Brutgebiet für zahlreiche Vogelarten

Darüber hinaus gibt es viele besondere Vögel im „Schanderied“: Enten können ihre Nester nicht direkt am Bodensee-Ufer bauen – für sie ist das Gebiet zwischen Flugplatz und Bodensee optimal. Auch die Bekassine, ein Schnepfenvogel, ist in der Gegend bekannt, leider gehen die Bestände aus bisher unbekannten Gründen flächendeckend zurück.

Vor einigen Jahren wurde eine Brutvogelkartierung im Naturschutzgebiet erstellt, die Dr. Fiedler eine hohe Artendichte zeigt: „Sie finden hier Kiebitz und Wendehals. Mäusebussard und Rotmilan haben Horste in unmittelbarer Flugplatznähe, zahlreiche Wespenbussarde, ab und zu ein Schwarzkehlchen und natürlich Störche sind zu beobachten.“ Die Piste ist wie ein offenes Stück Grünland und wird von allen Arten zur Futtersuche und Jagd genutzt. Im Spätsommer sammeln sich über dem Gelände ganze Storchenschwärme, da wird schon mal der Flugbetrieb kurzzeitig eingestellt, um Mensch und Tier nicht zu gefährden.

Durch das zahl- und artenreiche Vorkommen an Greifvögeln sind Anfangspläne für die Errichtung von Windkraftanlagen schnell verworfen worden, wovon auch die FSVR profitiert.

Botanische Besonderheit

Die sensible Naturlandschaft ist eine natürliche Senke, die nur durch einen einzelnen Graben zum Bodensee hin entwässert wird. Biber haben das Gelände weiträumig in Beschlag genommen und eine sagenhafte, botanisch artenreiche Landschaft gestaltet, wie Dr. Fiedler erklärt: „Hier gibt es zahlreiche Orchideenarten und Knabenkräuter, unter anderem hat es nirgends in der Gegend so schöne Bestände des Sumpfglanzkraut. Das sieht sehr unscheinbar aus, ist aber eine Riesenbesonderheit. Wir hatten erst Sorge, dass die Überschwemmungen durch den Biber die Bestände gefährden könnten, aber das Mikrorelief ist so kleinräumig, dass das Kraut genau an der richtigen Stelle sitzt.“ Mit der Zusammenarbeit mit der FSVR ist der Wissenschaftler zufrieden: „Das regelmäßige Kürzen der Gehölze am Ende der Piste bindet sich gut in den Pflegeplan ein und erhält ein Mosaik aus offeneren Bereichen. Ansonsten würden sich die Gebiete zu einem artenarmen und eintönigen Gehölz entwickeln.“ Auch hier profitieren Mensch und Natur also gleichzeitig.

Paradebeispiel für gegenseitigen Nutzen

Der Flugplatz Radolfzell-Stahringen ist also ein Paradebeispiel für den gegenseitigen Nutzen, den ein umweltbewusster Verein und ein Natur- und Landschaftsschutzgebiet voneinander haben können. Der Wert, den das Gelände als Freizeitfläche für Luftsport und andere Freizeitaktivitäten hat, wird durch die Nähe zu der einzigartigen Naturlandschaft gesteigert. Eine Idylle für Menschen und Tiere – hoffentlich für viele Generationen.