Entwicklung Frauen im Luftsport und Segelflug

Gisela Weinreich (Vereinigung Deutscher Pilotinnen - VDP) berichtet aus der Sitzung zum Thema „Entwicklung Frauen im Luftsport und Segelflug“, die in den Rahmen der Vollversammlung der International Gilding Commission (IGC) eingebettet war, welche vom 3. Bis 4. März 2023 in Kopenhagen stattfand. Perle Møhl, Anthropologin und Segelfliegerin aus Dänemark, referierte.

Um eines vorweg zu nehmen: Das Internationale Olympische Komitee IOC, hat in seinen Statuten neue Regeln verankert, veröffentlicht als: IOC Framework on Fairness, Inclusion and Non-Discrimination on the Basis of Gender Identity and Sex Variation. Alle Sportverbände, die unter dem Dach des IOC versammelt sind, wie die FAI / IGC, sind gehalten, ihre Sportdisziplinen nach diesen Regeln zu betreiben.

FAI Statuten und die Luftsportaktivitäten müssen mit der Olympischen Charta übereinstimmen

Das heißt, die FAI Statuten und die Luftsportaktivitäten müssen mit der Olympischen Charta übereinstimmen. Eine Nichtbeachtung hätte weitreichende Folgen in verschiedener Ausprägung. Für die World Games gibt es unter anderem die Forderung, dass Athleten und Athletinnen in gleicher Anzahl teilnehmen sollen. Die FAI erfüllt noch nicht alle vorgegebenen Forderungen, ist jedoch bemüht, alle Vorgaben und Bestimmungen zu prüfen. Sofern aktuell umsetzbar, wird sie in Absprache mit allen Beteiligten dies evaluieren und entsprechend Änderungen ggf. in die verschiedenen Luftsport Disziplinen einführen.

Die Anerkennung des Luftsports durch das IOC hat einen großen Stellenwert nicht nur beim Welt Luftsportverband FAI, sondern ebenso für seine Mitglieder, wie z.B. für den DAeC. Sie erhöht die Akzeptanz und erleichtert dem DAeC die Lobbyarbeit bei Behörden und in der Politik, fördert das Ansehen des Sports in der Öffentlichkeit und ermöglicht Sportförderung durch das BMI.

IGC Vollversammlung befasst sich mit Country Development

Ein TOP der Agenda der IGC Vollversammlung befasste sich mit „Country Development“ – konkret mit dem Schwerpunkt „Entwicklung Frauen im Luftsport Segelfliegen“. Zahlen belegen, dass der Frauenanteil im Segelflugsport in Europa und weltweit stagniert. 7% sagt die Statistik, nur in Asien ist der Zuwachs prozentual höher, allerdings von einer sehr niedrigen Quote ausgehend. Die Airsports Commissions in der FAI sind sich heute einig, dass der geringe Frauenanteil im Luftsport ein großer Nachteil für den Sport ist.

Perle Møhl: „Entwicklung Frauen im Luftsport und Segelfliegen“

Im Hinblick auf die Olympische Charta, aber auch im ureigenen Interesse der FAI, hatte der IGC Vorstand zum Thema „Entwicklung Frauen im Luftsport und Segelfliegen“ eine Gastsprecherin eingeladen. Perle Møhl, Anthropologin und Segelfliegerin aus Dänemark, hat 2019/2020 eine umfangreiche Studie über Männer und Frauen in drei verschiedenen Luftsportumgebungen durchgeführt, nämlich Segelfliegen, Fallschirmspringen und Drachen- und Gleitschirmfliegen. Ihre Untersuchungen und Interviews vor Ort bei den Vereinen und auf Flugplätzen, Online-Recherchen und -Befragungen der rund 4.000 Mitglieder der drei Sportverbände ergeben ein klares Bild: Frauen kommen in den drei großartigen, eigentlich geschlechtsneutralen, Luftsportaktivitäten in vielerlei Hinsicht zu kurz; den Vereinen entgehen 50% der Bevölkerung bei ihrer Mitgliederwerbung. Dabei spielen Vorurteile, Klischees und fehlendes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Frauen, wie sie sich auch in unserer Gesellschaft generell widerspiegeln, eine zentrale Rolle.

Niedriger Frauenanteil hat nichts mit biologischer Natur zu tun

Das Projekt bezieht sich auf die Geschlechterfrage – Männer und Frauen in den genannten Luftsportarten. Aber die Ergebnisse weisen auf Diskriminierung und Ausgrenzung in einem allgemeineren Sinn. Nach ihrer These hat der niedrige Frauenanteil nichts mit einer biologischen „weiblichen Natur“ oder der weiblichen Gemütsverfassung zu tun. Die Gründe dafür müssen woanders gesucht werden.

Männer wie Frauen haben bei der Ausübung ihres Sportes mit Zeitproblemen zu kämpfen. Für Frauen gilt das eher häufiger. Ausbildung, Beruf, Familiengründung, Doppelbelastung durch Familie und Beruf sind die Hürden. Wirtschaftliche Aspekte – Stichwort Gehaltsunterschiede – spielen ebenfalls eine Rolle. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Frauen in den Vereinen im Durchschnitt jünger sind als die männlichen Mitglieder. Mutterschaft ist ein größerer Einschnitt im Leben und der Freizeit einer Frau als bei einem Mann die Vaterschaft. Was sind weitere Unterschiede in der Ausübung des Sportes? Begeisterung, Abenteuer, Herausforderung scheinen beide Geschlechter gleichermaßen erleben zu wollen. Aber Frauen haben eine andere Wahrnehmung von Risiken und sie tendieren dazu, einen Sport zu wählen, den sie mit der Familie gemeinsam ausüben können. Frauen sprechen ihre Bedenken eher offen aus. Sie werden als vorsichtiger eingeschätzt, sind aber auch deshalb oft die besseren Anwender in der Ausübung des Sports (Zitate des Vortrages).

Was also tun, um die Gleichstellung der Geschlechter und die Integration zu fördern? Perle bietet Vorschläge an:

  • eine Umgebung schaffen, in der sich jeder/jede willkommen fühlt!
  • für einen familienfreundlichen Verein sorgen
  • die nicht fliegenden Familienangehörigen mit einbeziehen, sodass sich ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln kann
  • Frauen in ihren Fähigkeiten bestärken
  • Strukturen und Aktivitäten des Vereins, insbesondere den Tagesablauf auf dem Flugplatz, flexibler gestalten
  • Trainer, Fluglehrer - Respekt statt Vorurteile
  • bei PR und Kommunikation Fokus mehr auf Frauen lenken
  • Werbung in Schulen machen
  • auch hier gilt das Schneeballsystem: je mehr Frauen da sind, desto mehr Frauen kommen dazu. Das gilt im Übrigen auch für Jugendliche.

In ihren Gesprächen hat Perle aber auch Frauen getroffen, die ihrem Projekt und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen eher skeptisch gegenüber stehen. Die Frauen wollen als „glider pilots” (also neutral) und nicht als „women glider pilots“ angesehen werden.

Spannende Diskussion und Workshops

Mit ihrem Vortrag hatte Perle eine spannende Diskussion unter den Delegierten entfacht, die anschließend in drei kleinen Workshops zu den Themen „Barrieren / mögliche Lösungen / Erfolgsgeschichten“ fortgesetzt und vertieft werden konnte. Perle’s Fazit: Dem Luftsport würden einige Änderungen in der Einstellung und Organisation des Sports sehr gut tun.

Dänische Verhältnisse also? Wie sieht es bei uns aus? Die Segelfliegerinnen im DAeC haben sich schon lange für Chancengleichheit im Luftsport engagiert. Ingrid Blecher initiierte 1975 zum ersten Mal ein Segelfliegerinnen-Treffen. Frauen, die gegen manche Vorurteile im männerdominierten Segelflugsport anzukämpfen hatten, sollten sich zusammenschließen, sich gegenseitig bestärken, motivieren. Frauen sollten ihre sportlichen Ziele definieren und sich dafür couragiert einsetzen.

Fred Weinholtz: "Frauen im Segelflug leistungsorientierter und wettbewerbsfähiger machen"

Die Segelfliegerinnen hatten in der Segelflugkommission des DAeC einen Unterstützer, Fred Weinholtz! Ihm war klar, „wenn unsere Frauen im Segelflugsport noch ein Wörtchen mitreden wollen, dann muss man etwas tun, um sie leistungsorientierter und wettbewerbsfähiger zu machen. Der Leistungswille sollte gefördert, Selbstsicherheit und Mut durch Übung und Erfolgserlebnisse gesteigert und die Frauen in die Spitzenförderung des Bundes integriert werden.“ (Auszug aus einem Schreiben 1975). Diese Maßnahmen führten zum Erfolg. Mehr Frauen nahmen an Wettbewerben teil. Frauen engagierten sich in der Sportpolitik. Sie übernahmen Ämter – und tun es weiterhin – als Sprecherin der Nationalmannschaft Frauen, als Athleten-Sprecherin im DSB, sie saßen im Fachausschuss Leistungssport, sind im Vorstand und erweiterten Vorstand des DAeC und der Bundeskommission Segelflug, wurden Fluglehrerinnen und Trainerinnen, Vizepräsidentin des DAeC, sogar General Sekretärin der FAI, erfolgreiche Sportlerinnen, IGC Champion Pilot of the Year!

Es gab auch Spannungen und Verteilungskämpfe in der Buko, ich nenne nur die Aktion „Schneller zur Spitze auch für Frauen“ oder „Extrawurst für Segelfliegerinnen“ (Fliegermagazin 1992). Insgesamt war aber der Weg der Frauen im Segelflugsport im DAeC erfolgreich, auch mit Unterstützung vieler einflussreicher, leistungsorientierter Spitzensportler, die sich als Trainer engagierten, als Coach für die Frauen bei Europa- oder Weltmeisterschaften im Segelflug. Viele positive Ergebnisse also – und doch, der Anteil der Frauen im Segelflugsport ist kaum gestiegen. In Deutschland ist der Anteil bei ca. 10%, in Frankreich etwas höher, weltweit nicht höher als 5%. Könnten die Vorschläge von Perle Møhl zu Änderungen der Strukturen in den Segelflugvereinen und Dachorganisationen des Luftsports etwas bewirken?

Vereinigungen von Pilotinnen

In Deutschland und anderen Ländern wurden von Pilotinnen Vereinigungen gegründet. Um nur einige zu nennen: The Women Soaring Association, USA seit 1986, FLY PINK : Italy's Women Glider Pilot Association,  Women’s Pilot Association, UK, ebenso die VDP oder der AMF.

Die Vereinigung Deutscher Pilotinnen, kurz VDP, gegründet 1968, nennt als Vereinszweck unter anderem: „die Pflege und Erhalt des sportlichen Kameradschaftsgeistes ihrer Mitglieder, die Förderung jugendlicher Pilotinnen“. Die Mitglieder kommen aus allen Bereichen der Luftfahrt – Segelflug, Ultraleichtflug, Helikopter, Motorflug, Ballon. Sie fliegen und fahren zum Spaß, fliegen Wettbewerbe oder sind Berufspilotinnen. Sie wollen sich austauschen, gegenseitig unterstützen, Erfahrungen teilen, kommunizieren mit Pilotinnen im In- und Ausland.

In Großbritannien hat Liz Sparrow, Segelfliegerin, erfolgreiche Wettbewerbspilotin, Championship Direktorin der Frauen Segelflug Weltmeisterschaft 2022, gezeigt, was man tun kann, um den Segelflug in der Bevölkerung bekannter zu machen und mehr Frauen für unseren Sport zu begeistern. Liz organisierte während des Wettbewerbs einen Tag der offenen Tür. Sie lud die Bevölkerung der Umgebung ein, Familien, Kinder, Schüler, Studenten. Stände wurden aufgebaut, Essen und Trinken angeboten. An einem Stand warb die Women's Pilots Association für eine stärkere Beteiligung von Frauen in allen Bereichen der Luftfahrt. Außerdem bot eine Ausstellung über Frauen in der Luftfahrt dem Publikum die Möglichkeit, sich über berühmte Frauen in der Geschichte zu informieren und einige aktuelle Luftfahrtpionierinnen zu treffen. Am Wochenende hielten Pilotinnen wie die Flugkapitänin von British Airways, Suzanne Morgan, und die Tornado GR4-Pilotin der RAF, Mandy Hickson, inspirierende Reden und erzählten Geschichten aus ihrer Luftfahrtkarriere.

Vom Fliegen zur Technik und Nachhaltigkeit – Luftfahrtingenieurinnen an den Ständen berichteten: „Wir hatten viele Kinder und 16- bis 17-jährige Schüler, die sich über Berufe in der Luftfahrt und im Ingenieurwesen informieren wollten. Wir konnten ihnen die Möglichkeiten aufzeigen und den Jüngeren die Chance geben, einen Propeller in die Hand zu nehmen. Es ist toll zu sehen, wie ihre Augen leuchten und wie sehr sie sich für die Luftfahrt interessieren.“ (von der 11th WWGC Website übernommen). Es waren Mädel wie Buben in der Runde.

Der Vortrag von Perle Møhl hat bei den Delegierten der IGC Vollversammlung großes Interesse geweckt und Denkanstöße geliefert. Man ist sich einig, dass dem vorhandenen Mitgliederschwund etwas entgegengesetzt werden muss. Wir müssen mehr tun, um Jugendliche und Frauen für unseren Sport zu gewinnen und unseren Sport so aufstellen, dass die Regeln der Olympischen Charta befolgt werden. Das Ziel der IGC ist es ja, den Segelflug weltweit bekannter zu machen, ihn auf allen Kontinenten, in allen Ländern zu verbreiten und wachsen zu sehen. Mit den Frauen ist dieses Ziel erfolgsversprechender.